Güterstand und Eheverträge

Der Vermögensschutz gehört zu den natürlichen Anliegen einer Unternehmerfamilie. Die Integrität des im Unternehmen gebundenen Vermögens und des Gesellschafterkreises dürfen nicht gefährdet werden. Er bildet – zumal in der Frage des Ehevertrags und Güterstands – eine Schnittstelle zwischen der privaten und geschäftlichen Sphäre der Familienmitglieder, der geborenen wie der angeheirateten. Er darf nicht ungeregelt bleiben. Die Autoren beschreiben die zahlreichen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten.

 

Leseprobe

Einleitung

Wenn es um den Abschluss eines Ehevertrags und die Wahl des richtigen Güterstands von verheirateten Ehegatten1 geht, bestehen bei vielen Betroffenen leider falsche landläufige Vorstellungen.

Weit verbreitet ist zunächst der Irrglaube, das gesamte während der Ehe erworbene Vermögen gehöre den Ehegatten gemeinsam, wenn sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben.

Darüber hinaus hört man immer wieder, im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft müsse ein Ehegatte für die Schulden des anderen Ehegatten mithaften.

Beide Annahmen sind schlicht falsch und führen dazu, dass Eheleute in ihren eigenen Vermögensangelegenheiten infolge ihrer Fehlvorstellungen in rechtliche und steuerliche Fallen laufen, die sich bei Kenntnis der wahren Rechtslage leicht vermeiden ließen.

Auch ist vielen Ehepaaren unbekannt, dass sie bei Vereinbarung des Güterstands der Gütertrennung erhebliche erbschaftsteuerliche Vorteile vergeben, wenn die Ehe bis zum Tod fortbesteht – was zumindest im Zeitpunkt der Heirat wohl regelmäßig der Wunsch aller Eheleute sein dürfte.

In diesem Beitrag möchten wir gerne einerseits mit den Irrtümern aufräumen und andererseits die vielfach unbekannten Vorteile des Güterstands der Zugewinngemeinschaft sowie Gestaltungsoptionen für den „richtigen“ Ehevertrag aufzeigen. Wir werden insbesondere darlegen, dass

  • bei in Zugewinngemeinschaft verheirateten Ehegatten nicht automatisch alles während der Ehe erworbene Vermögen jedem zur Hälfte gehört, sondern die Ehegatten in eine schenkungsteuerliche Problematik geraten, wenn sie z. B. gemeinsam eine Immobilie kaufen, aber nur ein Ehegatte den Kaufpreis bezahlt;
  • Ehegatten ebenso Schenkungsteuer auslösen können, wenn sie Gemeinschaftskonten und -depots unterhalten, aber nur ein Ehegatte alleine oder überwiegend auf diese Gemeinschaftskonten und -depots einzahlt;
  • Ehegatten, die in Zugewinngemeinschaft leben, nicht automatisch für Schulden des anderen Ehegatten haften;
  • im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebende Ehegatten oft erhebliche schenkung- und erbschaftsteuerliche Vorteile gegenüber Ehegatten haben, die in Gütertrennung leben und
  • schlussendlich auch im Rahmen des Güterstands der Zugewinngemeinschaft sichergestellt werden kann, dass im Scheidungsfall keine ungewollten Liquiditätsabflüsse drohen, indem z. B. gezielt Gesellschaftsbeteiligungen oder sonstiges besonders werthaltiges Vermögen eines Ehegatten für den Scheidungsfall vom Zugewinnausgleich ausgenommen wird (durch Vereinbarung der sogenannten „modifizierte Zugewinngemeinschaft“).

Vorteile der Zugewinngemeinschaft im Hinblick auf Pflichtteilsansprüche

Heutzutage sind neben der klassischen Familie bestehend aus Vater, Mutter und Kinder, auch Patchwork-Familien nichts Ungewöhnliches. In solchen Konstellationen will nicht selten ein Ehegatte sein Vermögen lieber seiner neuen Familie und nicht den aus seiner früheren Beziehung stammenden Abkömmlingen zukommen lassen. Hintergrund ist folgender: Die Pflichtteilsquote eines enterbten Abkömmlings richtet sich nach der gesetzlichen Erbquote. Wenn Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung leben, ist die gesetzliche Erbquote des überlebenden Ehegatten geringer und damit die gesetzliche Erbquote der Kinder höher als wenn die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Zum besseren Verständnis auch hierzu wiederrum ein einfacher Beispielsfall:

Der Ehemann, Herr Maier, hat einen Sohn (Michael) aus erster Ehe und eine Tochter (Katharina) aus zweiter Ehe. Michael soll enterbt werden.

Variante 1: Er lebt mit seiner neuen Ehegattin, Frau Maier, im Güterstand der Gütertrennung.

Variante 2: Er lebt mit seiner neuen Ehegattin, Frau Maier, im Güterstand der (modifizierten) Zugewinngemeinschaft.

Ergebnis Variante 1:

Leben Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung, erben nach dem Gesetz der überlebende Ehegatte und die zwei vorhandenen Kinder zu gleichen Teilen, d. h. jeder 1/3. Der Pflichtteil beträgt nach dem Gesetz die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, für Michael also 1/6. Er könnte also im Erbfall von den Erben (seiner Halbschwester Katharina und Frau Maier) 1/6 des Nettonachlasswerts als Pflichtteil verlangen.

Ergebnis Variante 2:

Lebten die Ehegatten dagegen im Güterstand der (modifizierten) Zugewinngemeinschaft, beträgt der gesetzliche Erbanspruch des überlebenden Ehegatten 1/2. Die Kinder teilen sich dann die andere Hälfte, sodass der gesetzliche Erbteil von Michael (und Katharina) je ¼ betragen würde. Der Pflichtteil wäre dann hiervon die Hälfte, mithin 1/8. Michael erhält also nur die Hälfte des Pflichtteils im Vergleich zur Variante 1, wenn sein Vater und Frau Maier im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben.

Ein pflichtteilsrechtlich relevanter Unterschied zwischen dem Güterstand der (modifizierten) Zugewinngemeinschaft und dem Güterstand der Gütertrennung besteht nur dann nicht, wenn der verstorbene Ehegatte nur einen Abkömmling hatte. Der Pflichtteil dieses Abkömmlings wäre in beiden Fällen gleich hoch. Sobald es aber zwei oder mehr Abkömmlinge gibt, führt der Güterstand der Gütertrennung zu einer – eventuell ungewollten – Erhöhung der Pflichtteilsquoten der Kinder.

(Richtiger) Zeitpunkt der Einleitung eines Scheidungsverfahrens

Zu guter Letzt möchten wir noch einen wichtigen Hinweis zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs im Scheidungsfall geben. Der Zugewinnausgleich ist streng stichtagsbezogen. Nur das Vermögen am Tag der Eheschließung (Anfangsvermögen) und nur das Vermögen am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags (Endvermögen) sind relevant und nicht das Vermögen, welches die Ehegatten am Tag davor oder am Tag danach hatten. Das kann eine erhebliche Bedeutung haben, beispielsweise, wenn Aktien über Nacht einen Kursrutsch erleiden.

Ein Ehegatte kann daher einen für ihn vorteilhaften Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrags selbst bestimmen.

Folgendes Beispiel soll dies erläutern:

Der vermögende Unternehmer Herr Schmidt will im November 2021 so schnell wie möglich geschieden werden. Sein Rechtsanwalt reicht sofort den Scheidungsantrag ein, der Frau Schmidt am 16. Dezember 2021 zugestellt wird. Vor Gericht wird anschließend über die Höhe des auszugleichenden Zugewinns verhandelt, bis schließlich festgestellt wird, dass Frau Schmidt ein Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. EUR 1 Mio. zusteht. Im August 2022 – das Scheidungsverfahren läuft noch – ergeht der Einkommensteuerbescheid gegen Herrn Schmidt für das Jahr 2021, wonach eine Steuernachzahlung i.H.v. EUR 250.000,00 fällig wird. Herr Schmidt will diese Steuerschuld bei der Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs abziehen.

Das aber kann er nicht. Die Berechnung des Zugewinns erfolgt, wie dargestellt, nach einem strengen Stichtagsprinzip. Deshalb sind im Beispielsfall nur die Vermögenswerte und die Schulden maßgeblich, die am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags, mithin am 16. Dez. 2021 vorhanden waren. Forderungen und Verbindlichkeiten müssten bereits zu diesem Stichtag entstanden sein, um berücksichtigt werden zu können, auf deren Fälligkeit kommt es nicht an. Eine Einkommensteuerschuld entsteht erst mit Ablauf des Veranlagungsjahres, im Beispielsfall also mit Ablauf des 31. Dez. 2021. Da die Verbindlichkeit nach dem Stichtag der Zustellung des Scheidungsantrags entstanden ist, ist sie für die Berechnung des Zugewinns irrelevant. Sinnvoller wäre es aus Sicht von Herrn Schmidt gewesen, mit seinem Steuerberater mögliche Steuernachzahlungen für das laufende Kalenderjahr vorab zu erörtern und mit der Einreichung des Scheidungsantrags bis Anfang 2022 abzuwarten. In diesem Fall hätte sich Frau Schmidt in güterrechtlicher Hinsicht mittelbar an den Steuerschulden von Herrn Schmidt zur Hälfte beteiligt, denn Herr Schmidt hätte die Steuerschuld bei seinem Endvermögen abziehen können und Frau Schmidt einen Zugewinn i.H.v. EUR 875.000,00 ausgleichen müssen.

 

[1]    Für Personen, welche in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, gelten die Ausführungen entsprechend. Da solche Partnerschaften nur bis einschließlich 30. September 2017 begründet werden konnten – seit dem 1. Oktober 2017 gilt bekanntlich die Ehe für alle – wird im Folgenden der Einfachheit halber nur der Begriff „Ehegatten“ verwendet.