Fairness in Unternehmerfamilien – Überlegungen zu einem schwierigen Begriff
Heft 18 der Schriftenreihe des Instituts
Die Verbindung mit dem Unternehmen sorgt dafür, dass Fairness in vielen Unternehmerfamilien ein heikles Thema ist. Eine Ursache ist die Ungleichheit der Familienmitglieder bei Beteiligung und Einflusschancen, außerdem geht - was das Unternehmen betrifft – die Sachgerechtigkeit vor. Trotzdem ist einiges machbar: Regeln sind gut, in fairen Verfahren zustande gekommene Regeln sind besser, und hält die Familie sie ein, kann mit der Zeit sogar eine Familienkultur entstehen, in der faires Verhalten zum Normalfall wird.
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Gleichheit, Leistung, Bedürfnis
Ein weiteres Beispiel kann uns hier weiterhelfen: Ein Unternehmer hat zwei Kinder. Die Älteste, Diplom-Betriebswirtin, qualifiziert sich in einem anderen Unternehmen der gleichen Branche für die Nachfolge des Vaters, während der Sohn und erklärte Liebling sein Studium abgebrochen hat und sich seitdem mit mäßigem Erfolg in verschiedenen Berufen versucht. Bei der Planung der Nachfolge steht der Unternehmer vor der Frage, wie er verfahren soll. Bei der Eigentümernachfolge kann er beide Kinder gleich oder ungleich bedenken, außerdem kommt in Betracht, den Sohn durch eine Beteiligung so zu stellen, dass er den gewohnten Lebensstandard halten kann, was nicht möglich wäre, wenn er auf eigenes Einkommen angewiesen ist. Bei der Führungsnachfolge stellen sich ebenfalls verschiedene Alternativen. Einmal könnte er beide Kinder zu gleichberechtigten Geschäftsführern machen oder die Tochter zur Alleingeschäftsführerin, ferner könnte er dem Sohn einen Posten mit Ewigkeitsgarantie unterhalb der Leitungsebene schaffen und ihm so zu einem adäquaten Einkommen verhelfen.
Bei der Ergebnisgerechtigkeit werden üblicherweise drei Bezugspunkte in Ansatz gebracht. Ein Verteilungsmuster geht von der Gleichheit der Adressaten aus. Danach ist fair, wenn jeder das gleiche bekommt. Fairness knüpft hier also an ein rein formales Kriterium an. Bei zwei Kindern bekommt jeder die Hälfte, bei dreien jeder ein Drittel und so fort. Der beträchtliche Reiz dieses Musters liegt erstens in seiner schlagenden Einfachheit, was das Resultat angeht: im Idealfall genügt eine simple Rechnung, sofern es sich um ein teilbares Gut handelt. Zweitens hat das Ergebnis gute Aussichten auf Akzeptanz bei den Empfängern. Erhält jeder exakt das gleiche oder wird bei mehreren unteilbaren Gütern ungefähr gleich behandelt, empfindet er das Ergebnis am ehesten als hinnehmbar. Garantiert ist das freilich nicht, weil auch kleine Unterschiede den Neid befeuern können und die Verteilung als unfair erscheinen lassen, was gerade um strikte Symmetrie bemühten Eltern schon manche Enttäuschung bereitet hat. Gerade das subjektive Moment, wonach es nicht eine Gerechtigkeit gibt, sondern jedes Subjekt seine eigene definiert, tritt schon hier auf, kann sich aber unter Umständen noch erheblich stärker bei den beiden anderen Bezugspunkten bemerkbar machen, die Fairness in anderer Weise akzentuieren.
Wer statt der Gleichheit die Leistung, also die jeweilige Tüchtigkeit der Empfänger als Kriterium wählt, dem wird das formale Kriterium Gleichheit gerade nicht als fair erscheinen. Hat ein Kind sich schon immer für das Unternehmen interessiert und seine Ausbildung wie seinen Ehrgeiz auf die Nachfolge in der operativen Führung ausgerichtet, während Bruder oder Schwester es nicht getan hat, stellt sich die Frage der gerechten Verteilung ganz anders. Eine ungleiche Verteilung ist danach fairer als eine gleiche. Strukturell aber stellt sich eine weitere Schwierigkeit. Wie soll bei – zumal bei vergleichbarer Tüchtigkeit – die Leistung gemessen und bewertet werden, in welcher Weise kann sie die konkrete Verteilung beeinflussen? Dieses Problem, das nur mit sehr viel größerem Aufwand als bei einer formal gleichen Verteilung zu lösen ist und das subjektive Moment bei den Adressaten stärker akzentuiert, erklärt vielleicht die Widerstände gegenüber der Privilegierung von Erben, die als geschäftsführende Gesellschafter die Verantwortung im Unternehmen tragen, bei der Beteiligung.